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Fairtrade Deutschland News
05.12.2014

Fairtrade im Freitag

Gut oder sinnlos? Das Meinungsmagazin "der Freitag" greift in seiner aktuellen Verlagsbeilage die Diskussionen um die Wirkung von Fairtrade auf.

In seiner Beilage vom 05. Dezember 2014 nimmt das Meinungsmedium "der Freitag" den Fairen Handel unter die Lupe. Die in Zusammenarbeit mit TransFair entstandene Beilage liefert einen guten Überblick über die aktuellen Diskussionen um die Wirksamkeit von Fairtrade und veranschaulicht warum der Faire Handel ein wirksames Mittel ist, die Armut in Entwicklungsländern zu verringern.

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Den Leitartikel der Verlagsbeilage haben wir hier für Sie direkt aufbereitet:



Die große Fairtrade-Frage

Gut oder sinnlos? Der Faire Handel ist ein wirksames Mittel, um die Armut in Entwicklungsländern zu verringern – trotz mancher Kritik.

Wer mit dem Kauf von Kaffee, Tee oder Bananen einen politischen Anspruch verbindet, wählt nicht selten Fairtrade-Produkte. Diese bieten eine Kombination aus Konsum und gutem Gewissen – lange Zeit unangefochten. Neuerdings aber erscheinen öffentliche Stimmen, die den Sinn von Fairtrade grundsätzlich infrage stellen. Die Fairtrade-Organisationen nehmen diese Gegenargumente ernst. Sie können aber belegen, dass Fairtrade ein wirkungsvolles Instrument ist, um Armut im globalen Süden zu reduzieren, sowie positive politische, soziale und kulturelle Entwicklungen zu unterstützen. Wesentliche Kritikpunkte, die auch in deutschen Medien eine Rolle spielten, waren diese: Fairer Handel führe kaum oder gar nicht dazu, dass die Armut in Entwicklungs- und Schwellenländern abnehme. Außerdem bringe Fairtrade fragwürdige Ergebnisse für die Verbraucher mit sich. Man könne nicht sicher sein, ob überall, wo Fairtrade draufstehe, auch Fairtrade drin sei.  
  

Besteht die Kritik zu Recht?

Rund 1,4 Millionen Kleinbauern und Landarbeiter in über 70 Staaten stellen mittlerweile Produkte her, die das Fairtrade-Siegel tragen. Die Verkaufszahlen fair-gesiegelter Waren kletterten 2013 weltweit auf 5,5 Milliarden Euro. Der Umsatz in Deutschland betrug im vergangenen Jahr über 650 Millionen Euro. Organisationen wie TransFair, der deutsche Zweig des Netzwerkes, sehen darin eine Erfolgsgeschichte. In der steigenden Zahl der teilnehmenden Produzenten drückt sich aus, dass der Mechanismus für sie attraktiv ist und ökonomische Vorteile bringt. Und für die hiesigen Verbraucher sind Fairtrade-Produkte offenbar so glaubwürdig, dass der Absatz stark steigt. Beides – die Attraktivität für die Produzenten und die Glaubwürdigkeit für die Verbraucher – sind jedoch keine Selbstverständlichkeiten. Die Fairtrade-Organisationen arbeiten permanent daran, diese Qualitäten zu erhalten und zu verbessern. Grundsätzlich funktioniert das System so: Beispielsweise für ihren Kaffee erhalten die Kleinbauernorganisationen im globalen Süden einen garantierten Abnahmepreis von 1,40 US-Dollar pro englisches Pfund (453,6 Gramm). Dieses Geld bekommen sie von den zertifizierten Händlern auch dann, wenn der Marktpreis an der Börse unter 1,40 Dollar liegt. Ist er höher, erhalten die Bauern den besseren Börsenpreis. Zusätzlich zahlen die Abnehmer in jedem Fall 20 US-Cent pro Pfund, die in bessere Anbaumethoden, Steigerung der Produktivität, Schulen oder Gesundheitsversorgung in den Dörfern investiert werden. Weitere 30 US-Cent pro Pfund Kaffee fließen, wenn der Rohstoff aus biologischem Anbau stammt. Dieser Mechanismus hat viele Vorteile. Er verschafft den Produzenten eine bessere Stellung auf dem Weltmarkt und höhere Einkommen. Der Kern des Fairtrade- Modells besteht in der Selbstbestimmung der Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie erwirtschaften ihre Einnahmen selbst und entscheiden autonom über deren Verwendung. Daraus erwächst ein umfassender entwicklungspolitischer Ansatz. Ein Teil der Fairtrade- Prämien fließt in bessere Infrastruktur für Verkehr, Gesundheit und Bildung. Im internationalen Fairtrade-System halten die Produzenten die Hälfte der Stimmen. Auf diese Weise gehen langfristige Armutsbekämpfung und globale Partizipation Hand in Hand – ein Weg, den Weltmarkt etwas gerechter zu machen. Einige Elemente dieser Strategie wurden in jüngster Zeit kritisch hinterfragt, wobei besonders eine Studie der London School of Oriental and African Studies (SOAS) Aufsehen erregte. Die Wissenschaftler untersuchten den Einfluss von Fairtrade auf Gelegenheitsarbeiter und Armut in Äthiopien und Uganda. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Fairtrade die Einkommen armer Landarbeiter im Vergleich zu konventioneller Produktion nicht verbessert hätte. Diese Kritik setzt sich mit dem Fairtrade- Modell jedoch nicht ernsthaft auseinander. Wie die ISAEL Alliance, die weltweite Vereinigung für Sozial- und Umweltstandards, beschreibt, bilden Kleinbauern die wesentliche Zielgruppe des Fairen Handels. Sie stellen in vielen armen Ländern die große Mehrheit der Bevölkerung. Deshalb orientiert sich Fairtrade in erster Linie an den Bedürfnissen der Kleinbauern und ihrer Organisationen. Wegen dieser Fokussierung allerdings standen die Interessen der Landarbeiter, die von den Produzenten beschäftigt werden, lange Zeit nicht im Vordergrund der Fairtrade- Politik  Diese Herangehensweise ändert sich mittlerweile. „Wir arbeiten gleichzeitig an vielen Baustellen – auch an einigen, auf die sich der SOAS-Bericht bezieht“, sagt Dieter Overath, der Geschäftsführer von TransFair. Dazu gehört die seit Januar 2014 eingeführte Verpflichtung, für Fairtrade-zertifizierte Plantagen schrittweise existenzsichernde Löhne einzuführen. Den neuen Richtlinien zufolge müssen große Erzeugerbetriebe die Gehälter ihrer Beschäftigten schrittweise auf existenzsicherndes Niveau anheben. Diese Bezahlung soll die Grundbedürfnisse der Arbeiterfamilien decken und darüber hinaus unter anderem Ausgaben für die Schulbildung der Kinder, Gesundheits- und Altersvorsorge sowie Rücklagen ermöglichen. Sie liegt in der Regel deutlich über den meist kärglichen Mindestlöhnen, die viele Staaten festgelegt haben. Existenzsichernde Löhne tragen deshalb stärker zur Armutsreduzierung bei als Mindestlöhne. Auch Kleinbauern und ihre Kooperativen sollen künftig garantieren, dass die dort tätigen Landarbeiter eine existenzsichernde Bezahlung erhalten. TransFair will dieses Ziel erreichen, wobei es bisher noch nicht im Standard der Arbeitsbedingungen kodifiziert ist. Der Grund: Kleinbauernporganisationen, mit denen Fairtrade zusammenarbeitet, argumentieren, ihre Mitglieder könnten das höhere Niveau der Bezahlung nicht gewährleisten, ohne in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten. Die ökonomische Situation vieler Kleinbauern sei zu prekär. Die Fairtrade- Organisationen würden an dieser Stelle zwar gerne schnell Verbesserungen umsetzen, müssen ihre Kooperationspartner im Süden aber erst mal von der Richtigkeit dieser Strategie überzeugen.


Fairtrade reduziert Armut

Die Landarbeiter-Problematik ist freilich nur ein Teil der großen Debatte über den Sinn von Fairtrade. Denn Ökonomen wie US-Wissenschaftler Bruce Wydick stellen das Fairtrade-Modell auch hinsichtlich der selbstständigen Produzenten infrage. „Fairtrade-Kaffee hat kleine oder vernachlässigbare positive Effekte für die Bauern, besonders für die ärmsten unter ihnen“, schrieb der Ökonom unlängst. Die Fairtrade-Organisationen halten diesen negativen Befund für falsch. Denn zahlreiche Untersuchungen liefern ein positives Bild. So kam das Centrum für Evaluation (CEval) vor zwei Jahren zu dem Schluss, dass Fairtrade einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse von Kleinbauern leistet. Zertifizierte Landwirte verfügten demnach über leicht höhere und vor allem stabilere Einkommen. Eine große Auswirkung auf die ländlichen Gebiete hätten die zum Teil massiven Investitionen in die lokale Infrastruktur. Als direkte Folge wurde eine allgemeine Verbesserung im Bildungs- und Gesundheitswesen festgestellt. Dies ist ein wichtiger Beleg dafür, dass Interventionen in den freien Markt positive soziale und ökonomische Wirkungen auslösen können. Kritiker der Fairtrade-Idee argumentieren dagegen, Eingriffe in die Marktmechanismen würden nur bewirken, dass die Armen arm bleiben und die Reichen reicher werden. Diese Einwände wurden durch die Erfolge des Fairen Handels in der Armutsbekämpfung, die zahlreiche Studien verdeutlichen, längst widerlegt. Klar ist aber auch, dass man den Fairtrade- Ansatz nicht überschätzen sollte. Dieser allein löst die Probleme des globalen Südens nicht. Fairtrade kann nur eine Rolle spielen als ein Mittel unter mehreren im Rahmen einer umfassenden Politik für Entwicklung und Armutsbekämpfung. Deswegen schalten sich die Fairtrade-Organisationen immer wieder in die politischen Debatten ein – so beispielsweise mit dem aktuellen Bericht „Who‘s got the Power“, in dem es um die Machtverteilung in den globalen Lieferketten geht. Auch bei den Verbrauchern erntet Fairtrade mitunter Kritik. Die Zweifel lassen sich so zusammenfassen: Ist Fairtrade drin, wo Fairtrade draufsteht? Die Skepsis entzündet sich teilweise am sogenannten Mengenausgleich. Dies bedeutet, dass in der Verarbeitungskette von Lebensmitteln bestimmte Produkte aus fairem und konventionellem Anbau miteinander vermischt werden – zum Beispiel Orangen für Orangensaft. Wobei die Gesamtmenge des gesiegelten Saftes der tatsächlich geernteten Fairtrade-Menge entsprechen muss. Der Hintergrund dieses Mechanismus besteht darin, dass viele Erzeuger fairer Produkte zu kleine Mengen liefern und keine eigenen Weiterverarbeitungssanlagen besitzen. Ohne den Mengenausgleich hätten sie keine Chance auf dem Markt.


Höherer Marktanteil als Erfolg

Die Fairtrade-Organisationen anerkennen aber den Wunsch der Kunden nach Verbraucherinformationen. Ihren Standards zufolge müssen die Lebensmittel aus Mengenausgleich gekennzeichnet werden. Früher war das nicht immer der Fall. Außerdem arbeitet Fairtrade aktiv daran, mehr direkte Marktzugänge zu schaffen und damit die Vermischung mit konventionellen Produkten nach und nach zu vermeiden. Auch auf den Mindestanteil von Fairtrade-zertifizierten Inhaltsstoffen bei sogenannten Mischprodukten bezieht sich die Kritik. Der Anteil liegt bei 20 Prozent. Das sei zu wenig, so die Kritiker. Fairtrade hält dagegen, dass die Grundregel lautet: „Alles was geht, ist Fairtrade.“ Kakao, Zucker, Nüsse, Vanille für die Fairtrade- Schokolade müssen also unter fairen Bedingungen eingekauft werden. Die Milch jedoch kommt aus Europa und ist daher nicht Fairtrade-zertifiziert. Schließlich ist Fairtrade ein Siegel für Produkte aus Entwicklungs- und Schwellenländern, nicht aus reichen Industriestaaten. Der Fairhandelsanteil ist immer auf der Verpackung angegeben. Den Verbrauchern in Deutschland sei zusätzlich gesagt: 86 Prozent der hier umgesetzten Fairtrade- Produkte sind sogenannte Monowaren, die nur aus einem Rohstoff bestehen – beispielsweise Bananen und Kaffee. Und diese Fairtrade-Lebensmittel sind immer zu 100 Prozent fair. Aber hilft Fairtrade nicht Konzernen wie Lidl und Starbucks dabei, ein Image aufzupolieren, das an anderer Stelle gelitten hat? Ja, dieser Effekt mag eintreten. Wichtiger aus der Sicht der Fairtrade-Organisationen ist aber, dass Kooperationen mit großen Unternehmen dazu beitragen, den Marktanteil der Fairtrade-Produkte zu erhöhen. Das Modell Fairtrade erweist sich dadurch als erfolgreich, gewinnt Einfluss und wird kopiert. Am wichtigsten aber ist, dass größere Mengen zertifizierter Nahrungsmittel auf dem Markt die Absatzmöglichkeiten der Produzenten verbessern. Damit steigen ihre Einkommen, und die Armut im globalen Süden nimmt ab. Mehr Straßen, Krankenstationen und Schulen können gebaut werden, mehr Kinder den Unterricht besuchen. Die Gemeinden werden wohlhabender, und die Bürger sind eher in der Lage, ihre Stimme zu erheben. Eine größere Menge von Fairtrade-Produkten auf dem Weltmarkt bedeutet Fortschritt in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

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